Einführung Dugong im Roten Meer

Das Rote Meer ist bekannt für seine Korallenriffe, bunten Fischschwärme und Delfine. Doch zwischen den Seegraswiesen seiner Küsten lebt eines der geheimnisvollsten und sanftesten Meeressäugetiere der Welt – der Dugong (Dugong dugon). Oft als „Seekuh“ bezeichnet, ist er der letzte überlebende Vertreter seiner Familie (Dugongidae) und damit eine einzigartige Spezies.

Während Dugongs im gesamten Indopazifik vorkommen – von Ostafrika bis Australien –, ist ihre kleine und isolierte Population im Roten Meer von besonderer Bedeutung. Ihre Seltenheit macht jede Beobachtung zu einem wichtigen Ereignis für Forschung und Naturschutz.

Dieser Artikel beleuchtet den Dugong im Roten Meer aus wissenschaftlicher und ökologischer Sicht: seine Taxonomie, seine Rolle im Ökosystem, seine Verbreitung, Bedrohungen und Schutzmaßnahmen.

Taxonomie und evolutionärer Hintergrund

Klassifikation des Dugongs

  • Reich: Animalia

  • Stamm: Chordata

  • Klasse: Mammalia

  • Ordnung: Sirenia

  • Familie: Dugongidae

  • Gattung: Dugong

  • Art: Dugong dugon

Der Dugong ist der einzige heute lebende Vertreter der Familie Dugongidae. Seine nächsten Verwandten sind die Manatis (Trichechidae), die sowohl in Flüssen als auch in Küstengewässern Amerikas und Westafrikas vorkommen.

Evolutionsgeschichte

Die Sirenia – die Ordnung, zu der Dugongs gehören – existieren seit rund 50 Millionen Jahren. Fossilien deuten darauf hin, dass ihre Vorfahren ursprünglich halb-aquatisch waren, bevor sie sich vollständig an das Leben im Meer anpassten.

Im Gegensatz zu Walen oder Delfinen, die sich als Jäger entwickelten, wurden Dugongs zu reinen Pflanzenfressern. Sie gehören zu den wenigen großen Meeressäugern, die ausschließlich Seegras fressen – und sind damit von zentraler ökologischer Bedeutung.

Ökologische Rolle der Dugongs im Roten Meer

Abhängigkeit vom Seegras

Dugongs sind obligate Pflanzenfresser. Sie ernähren sich fast ausschließlich von Seegrasarten wie Halophila und Halodule. Diese Weidegewohnheiten tragen entscheidend zur Gesundheit der Seegraswiesen bei, die wiederum Lebensraum für zahlreiche Fische, Meeresschildkröten und Wirbellose bieten.

Ökosystem-Ingenieure

Durch ihre Fraßspuren lockern Dugongs den Meeresboden auf, fördern die Nährstoffzirkulation und unterstützen die Regeneration des Seegrases. Diese Funktion macht sie zu sogenannten „Ökosystem-Ingenieuren“.

Beitrag zum Klimaschutz

Gesunde Seegraswiesen sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Indem Dugongs diese Lebensräume erhalten, leisten sie indirekt auch einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels.

Verbreitung und Bestandszahlen im Roten Meer

Geografisches Vorkommen

Weltweit sind Dugongs in über 40 Ländern beheimatet. Im Roten Meer konzentriert sich ihr Lebensraum hauptsächlich auf die ägyptische Südküste, wo ausgedehnte Seegraswiesen vorkommen.

Wichtige Gebiete in Ägypten

  • Marsa Alam – insbesondere die Abu-Dabbab-Bucht ist bekannt für Dugong-Sichtungen.

  • El Quseir – reich an Seegraswiesen und gelegentlich mit Dugongs.

  • Wadi El Gemal Nationalpark – ein Schutzgebiet, das als Rückzugsort dient.

Bestandszahlen

Die Population im Roten Meer ist sehr klein. Schätzungen gehen von nur wenigen Hundert Tieren in ägyptischen Gewässern aus. Dies macht die Art dort extrem gefährdet.

Biologie und Verhalten

Körperliche Merkmale

  • Länge: 2,5–3 Meter

  • Gewicht: 250–400 Kilogramm

  • Typisch: flossenähnlicher, delfinartiger Schwanz (anders als beim Manati).

  • Lebenserwartung: bis zu 70 Jahre

Sozialverhalten

Dugongs leben überwiegend allein oder in kleinen Gruppen. Die Bindung zwischen Mutter und Kalb ist jedoch sehr stark. Anders als Delfine bilden sie keine großen Schulen.

Fortpflanzung

  • Geschlechtsreife: 6–17 Jahre

  • Tragzeit: 13–15 Monate

  • Säugezeit: bis zu 18 Monate

  • Geburtenrate: ein Kalb alle 3–7 Jahre

Diese langsame Fortpflanzung macht die Art besonders anfällig für Bestandsrückgänge.

Hauptbedrohungen

Verlust von Lebensräumen

Küstenbebauung, Verschmutzung und Baggerarbeiten zerstören Seegraswiesen. Schon kleine Veränderungen in der Wasserqualität können zu massiven Schäden führen.

Fischerei

Dugongs verfangen sich häufig unbeabsichtigt in Netzen (Beifang). Dies ist weltweit eine der größten Gefahren.

Kollisionen mit Booten

Tourismus und Bootsverkehr überschneiden sich oft mit den Fressgebieten der Dugongs. Langsam auftauchende Tiere sind besonders gefährdet.

Klimawandel

Steigende Meerestemperaturen und Stürme beeinträchtigen das Wachstum und die Stabilität von Seegraswiesen.

Kleine Population

Die geringe Zahl im Roten Meer erhöht das Risiko des lokalen Aussterbens dramatisch.

Forschung und Schutzmaßnahmen

Schutzgebiete in Ägypten

  • Wadi El Gemal Nationalpark schützt wichtige Lebensräume.

  • Abu-Dabbab-Bucht: strenge Regeln für Tauchschulen und Schnorchler, um Störungen zu vermeiden.

Internationale Abkommen

  • Rote Liste der IUCN: gefährdet (vulnerable)

  • CITES: strenger internationaler Schutz

  • Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wildlebender Tierarten (CMS)

Wissenschaftliche Forschung

Forschungsprojekte in Ägypten und international nutzen Satellitentracking, Bestandszählungen und Habitatkartierungen, um die Art besser zu verstehen und effektive Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

Zukunft des Dugongs im Roten Meer

Wichtige Schutzprioritäten

  1. Schutz der Seegraswiesen durch sauberes Wasser und nachhaltige Küstenentwicklung.

  2. Nachhaltiger Tourismus mit klaren Regeln für Taucher und Bootsbetriebe.

  3. Aufklärung lokaler Gemeinden über den Wert der Dugongs.

  4. Langfristiges Monitoring, um Bestandsentwicklungen frühzeitig zu erkennen.

Symbol für Zerbrechlichkeit und Hoffnung

Der Dugong ist ein Indikator für die Gesundheit der Ökosysteme. Sein Fortbestand entscheidet über die Stabilität von Seegraswiesen – und damit über zahlreiche andere Meereslebewesen.

Fazit

Der Dugong im Roten Meer ist weit mehr als eine seltene Attraktion: Er ist ein Schlüsselorganismus, dessen Zukunft eng mit der Widerstandsfähigkeit ganzer Meeresökosysteme verbunden ist.

Sein Überleben erfordert ein Zusammenspiel von Forschung, Schutzgebieten, internationaler Zusammenarbeit und verantwortungsbewusstem menschlichen Handeln.

Den Dugong zu schützen, bedeutet nicht nur, eine Tierart zu retten, sondern auch, ein einzigartiges ökologisches Erbe für kommende Generationen zu bewahren.